Die Kommunen sind aufgefordert, durch intakte Abwassersysteme das Abwasser zu sammeln und zu reinigen:
Ortsnetze
sind jene Kanalanlagen, die sich innerhalb der Gemeinde durch die Straßen ziehen und zur Aufnahme der anfallenden Abwassermenge dienen. Hier wird zwischen den Entwässerungssystemen im Misch- bzw. Trennverfahren (getrennte Einsammlung von Schmutz- bzw. Niederschlagswasser) unterschieden.
Die Verbandsgemeinde Kirchberg hat 40 Ortsgemeinden. Alle 40 Ortsgemeinden verfügen über die erforderliche Erstausstattung. Insgesamt werden rund 129 km Ortssammler vorgehalten.
Regenbauwerke
haben das bei Regenwetter durch Regenwasser vermehrte Abwasser zu speichern und nach Abklingen des Regens langsam wieder zur Abwasserreinigung abzugeben. Die Verbandsgemeindewerke Kirchberg halten Regenbauwerke mit einem Volumen von insgesamt rund 18.000m³ vor, der Abwasserzweckverband Gemünden ein Volumen von rund 2.500 m³.
Verbindungssammler
werden zwischen den einzelnen Ortsgemeinden verlegt, um einen aus wirtschaftlicher oder aus wasserwirtschaftlicher Sicht notwendigen Zusammenschluss herbeizuführen. Die Verbindungssammler führen die zusammengefassten Abwässer zur Kläranlage. Die Verbandsgemeinde Kirchberg hat die Erstausstattung fertiggestellt. Die Länge der Verbindungssammler beträgt in der Verbandsgemeinde Kirchberg rund 43 km, beim Abwasserzweckverband Gemünden werden 23 km vorgehalten.
Kläranlagen
Beim Bau von Kläranlagen wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl von Klärverfahren entwickelt. Alle Verfahren bauen auf der Selbstreiniungskraft der Natur auf, die durch Mikroorganismen vollzogen wird. Damit die erforderliche Reinigung des Abwassers erreicht werden kann, werden in der Kläranlage auf kleinstem Raum optimale Lebensbedingungen für die Mikroorganismen geschaffen. Die dadurch bewerkstelligte biologische Abwasserreinigung umfasst auch den Abbau des größten Teils der gelösten Stoffe. Der Reinigungsprozess in modernen Kläranlagen erfolgt im wesentlichen in drei Stufen:
- in der 1. Stufe wird das Abwasser mechanisch gereinigt, in der Regel durch Rechen (Grobstoffe) und belüfteten Sand- und Fettfang (Sand- und Schwimmstoffe).
- in der 2. Stufe, der biologischen Reinigungsstufe, werden biologisch abbaubare Schmutzstoffe entfernt. Durch Zufuhr von Sauerstoff werden optimale Lebensbedingungen für Sauerstoff liebende Bakterien und Kleinstlebewesen, dem so genannten Belebtschlamm, erzielt. Der Belebtschlamm nimmt organische Abwasserstoffe als Nahrung auf und baut diese ab. Durch Zugabe von Rücklaufschlamm wird sichergestellt, dass die notwendige Belebtschlammkonzentration aufrecht erhalten bleibt.
- in der sogenannten 3. Reinigungsstufe werden bei größeren Anlagen durch Nitrifikation und gezielte Denitrifikation Stickstoffverbindungen reduziert. Die Entfernung von Phosphorverbindungen erfolgt durch chemische Fällung bzw. biologisch durch verstärkte Phosphoraufnahme bestimmter Bakterien.
Das behandelte Schlammwassergemisch wird in Nachklärbecken in gereinigtes Abwasser und Schlamm getrennt. Das gereinigte Abwasser fließt an der Beckenoberfläche zum Gewässer ab, während sich der schwere Schlamm auf der Beckensohle sammelt und zur weiteren Abwasserreinigung wieder in den Kläranlagenkreislauf zurückgepumpt wird. Ein Teil des Schlammes wird abgezogen und einer Stabilisierung oder Faulung zugeführt. Ein nachgeschalteter späterer Verfahrensschritt entwässert diesen Schlamm und führt ihn ggfls. einer weiteren Verwendung in der Landwirtschaft zu. Sofern diese Verwendung nicht gegeben ist, muss der Schlamm industriell verwertet oder deponiert werden.
In der Verbandsgemeinde Kirchberg wird der in den Kläranlagen anfallende Schlamm zu 100 % in der heimischen Landwirtschaft als Nährstoff eingebracht. Dabei unterliegen im Gegensatz zu anderen Düngemitteln sowohl der aufzubringende Schlamm als auch die Böden strengen und kontinuierlichen Untersuchungen und Kontrollen, um eine Überdüngung bzw. Schadstoffbelastung zu vermeiden.
Neue Kläranlage "Oberes Kyrbachtal"
Die Verbandsgemeinde Kirchberg hätte für die vorgegebene weitergehende Abwasserreinigung einen erheblichen baulichen und technischen Sanierungs- und Erweiterungsaufwand an den alten Kläranlagen Dill und Kirchberg-West betreiben müssen. Für die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH als Träger der Verkehrsanlagen im Flugsicherheitsbereich des Flughafens bestand die Erfordernis der Entsorgung des in den Wintermonaten durch die Flugzeug- und Rollbahnenteisung anfallenden enteisungsmittelhaltigen Abwassers, das das behördlich erlaubte Trennkriterium zur Einleitung ins Gewässer überschreitet. Schließlich war der 2002 gegründete Zweckverband Flughafen Hahn verpflichtet, das auf dem Flughafengelände anfallende Schmutzwasser schadlos zu beseitigen. Konzeptionen zur Lösung der anstehenden Aufgaben haben nach langjährigen Untersuchungen, Planungen und Verhandlungen zwischen den Beteiligten sowie den Wasserbehörden schließlich zu dem Ergebnis geführt, mit einer Win-win-Strategie als gemeinsame, ökologischste und zugleich wirtschaftlichste Lösung die neue Gruppenkläranlage „Oberes Kyrbachtal“ in der Gemarkung Sohrschied errichten zu wollen. In der neuen Kläranlage wird mithin neben dem kommunalen Abwasser aus den aufgegebenen Kläranlagen Dill und Kirchberg-West der Verbandsgemeinde vereinbarungsgemäß auch das enteisungsmittelhaltige Abwasser aus dem Flugbetrieb von der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH sowie das Schmutzwasser vom Zweckverband Flughafen Hahn aufgenommen. Mit der 1. Ausbaustufe werden 28.000 Einwohnerwerte vorgehalten. Die Anlage ist so konzipiert, dass sie bei Bedarf in einer 2. Ausbaustufe auf 41.000 Einwohnerwerte erweitert werden kann. Bei der 1. Ausbaustufe handelt es sich um eine aerobe, energieoptimierte Anlage nach dem Stand der Technik. Die neue Kläranlage hat im Vergleich zu den Altkläranlagen eine deutlich bessere Reinigungsleistung und trägt damit zum weitergehenden Schutz unserer Gewässer bei.
Die gemeinsame Strategie führt zur Kostenoptimierung sowohl beim Invest als auch bei den Betriebskosten: Die Investitionskosten für eine gemeinsame Abwasserbeseitigung sind deutlich günstiger als Einzellösungen und werden verursachungsgerecht verteilt. Für die Kläranlage wurden einschließlich Nebenkosten und Ausgleichsmaßnahmen rund 11,2 Mio. Euro in 16 Einzellosen erwartet: Davon beträgt der Anteil der VG Kirchberg rund 5,6 Mio. Euro, der Anteil der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH 3,5 Mio. Euro und der Anteil des Zweckverbandes Flughafen Hahn rund 2,1 Mio. Euro. Für die Verbindungssammler mit separater Ableitung von enteisungsmittelhaltigem Abwasser wurden insgesamt 4,8 Mio. Euro investiert: Bereits 2006 hat die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH für rund 2,0 Mio. Euro eine Ableitung für enteisungsmittelhaltiges Abwasser vom Flughafengelände bis zur Altkläranlage Dill hergestellt. Im Jahre 2008 wurden rund 2,8 Mio. Euro für die Anschlussleitungen von den Altkläranlagen Dill und Kirchberg-West bis zur neuen Kläranlage Oberes Kyrbachtal beauftragt, davon beträgt der Anteil der VG Kirchberg rund 2,2 Mio. Euro und der Anteil der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH sowie des Zweckverbandes Flughafen Hahn jeweils rund 0,3 Mio. Euro. Schließlich wird eine Fernwirktechnik mit Kosten von ca. 0,7 Mio. Euro installiert, um die Zuflüsse zur Kläranlage zu optimieren und damit die Reinigungskapazitäten optimal auszunutzen. Die Anteile der VG Kirchberg und des Zweckverbandes Flughafen Hahn wurden mit erheblichen Fördermitteln des Landes bedacht.
Für die VG Kirchberg werden zinslose Landesdarlehen bzw. Verrechnungen mit der Abwasserabgabe in Höhe von insgesamt rund 3,0 Mio. Euro erwartet. Für den Zweckverband Flughafen Hahn hat das Land rund 1,2 Mio. Euro an Zuschüssen geleistet. Aufgrund der Anlagenoptimierung sind die Betriebskosten für die neue Anlage günstiger als die der bisherigen Altanlagen, und dies, obwohl zusätzlich 12.000 EW an enteisungsmittelhaltigem Abwasser gereinigt werden. Spatenstich und damit Baubeginn für die Kläranlage Kyrbachtal erfolgte nach europaweiter Ausschreibung im April 2008. Es wurde eine Bauzeit von 1½ Jahren angesetzt. Gemäß ursprünglichem Bauzeitenplan war die Fertigstellung und Inbetriebnahme der neuen Kläranlage mit den Losen 2 - 17 für September 2009 vorgesehen. Wegen Verzögerungen durch das Vergabeverfahren und wegen erheblicher Überschreitung der eingeplanten Schlechtwettertage hat sich allerdings die geplante Fertigstellung und Inbetriebnahme verzögert. Am 16.12.2009 wurde der Probebetrieb für die neue Kläranlage aufgenommen. Die wasserwirtschaftliche Abnahme, offizielle Inbetriebnahme und Einweihung hat am 15. Juni 2010 stattgefunden
Außenbereichsgrundstücke
Bei Außenbereichsgundstücken, für die eine leitungsgebundene Entsorgung des Schmutzwassers wegen großer Entfernung zu einer Abwassergruppe nicht in Frage kommt, soll eine mechanisch-biologische Reinigung durch den Bau von Pflanzenbeet-Kläranlagen gewährleistet werden. In der Verbandsgemeinde Kirchberg wurden solche Anlagen bereits für die Ortsteile Gemünden-Panzweiler und Womrath-Wallenbrück sowie für einige Wohnbebauungen im Außenbereich errichtet. Weitere Anlagen sollen folgen.
Bild: Pflanzenbeet-Kläranlage